Was ist Sozialethik?


Ethik behandelt Fragen der individuellen Lebensführung (Individualethik) und der gesellschaftlichen Verantwortung (Sozialethik): Sie fragt nach den Möglichkeiten und Bedingungen des "guten Lebens" für den einzelnen und die Gesellschaft - eine Frage, die heute nicht mehr ohne Berücksichtigung globaler Vernetzungsprozesse gestellt werden kann. Konkret geht es darum, unser Handeln einer systematischen Reflexion zu unterziehen.

  •  Was sind die Motive unseres Handelns?
  •  Welche Folgen hat unser je konkretes Handeln?
  •  Was ist überhaupt gerecht?

Aufgabe der Sozialethik ist es, gesellschaftliche Institutionen und Strukturen auf ihre Gerechtigkeitsdimension hin zu untersuchen und Vorschläge zu erarbeiten, wie das soziale Zusammenleben von Menschen verbessert werden kann.


Leitbild

Orientierung. Fragen der Ethik gewinnen an gesellschaftlicher Bedeutung. Dieser "Ruf nach Ethik" zeigt, dass angesichts von gesellschaftlichen Umbrüchen humane Orientierungen für die Lebensführung (Individualethik), aber auch politische und gesellschaftliche Institutionen (Sozialethik) immer neu reflektiert werden müssen. Dies geschieht an unserem Institut auf der Basis christlicher Traditionen.

Interdisziplinär. Zudem ist unsere Arbeit auf die Vermittlung von theologischen, ethischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen hin angelegt (interdisziplinär). Dabei werden vor allem Gerechtigkeitsvorstellungen in den Institutionen von Gesellschaft, Staat, Wirtschaft und der internationalen Gemeinschaft thematisiert.

Schnittstelle zwischen Theologie und säkularer Öffentlichkeit. Ethische Fragestellungen sind sowohl gesellschaftlich als auch politisch gegenwärtig höchst relevant. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend zur Ethik – angesichts des Reflexionszwanges der moralischen Grundlagen in modernen Gesellschaften - weiter verstärken wird. Für die Kirche und die Katholisch-Theologische Fakultät bildet die Ethik in besonderem Maße die Brücke zu einer an säkular-humanen Leitwerten orientierten Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Sie kann so zentrale Anliegen der christlichen Tradition, insbesondere die Option für die Armen und das Eintreten für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, nach außen hin repräsentieren.

Ökumenisch und interreligiös. Gegenüber anderen Kirchen und Religionen hat eine theologisch fundierte Sozialethik eine Vermittlungsfunktion zu leisten. Sie ist dadurch sowohl ökumenisch als auch interreligiös (und damit auch interkulturell) herausgefordert, wobei einer produktiven Auseinandersetzung mit dem Islam in der gegenwärtigen Situation ein besonders hoher Stellenwert zukommt.


Fachprofil

Sozial-Ethik. Ethik als wissenschaftliche Disziplin reflektiert das menschliche Handeln unter normativen Gesichtspunkten, d.h. anhand der Frage, ob dieses Handeln "gut" oder "schlecht", "gerecht" oder "ungerecht" ist. Diese Reflexion bezieht sich - vor allem seit der Neuzeit - nicht nur auf individuelles Verhalten, sondern auch auf die Gestaltung von gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Institutionen, die nach Gerechtigkeitskriterien beurteilt werden.

Theologisch fundiert - interdisziplinär ausgerichtet. Heute wird die Frage, was für den Menschen und für die Gesellschaft "gut" und "gerecht" sei, in einer Vielzahl von Entwürfen und unter verschiedenen Gesichtspunkten gestellt. Eine christliche Sozialethik setzt sich mit diesen Diskursen auseinander. Um die ethisch-praktische Grundlegung im Hinblick auf spezielle Gerechtigkeitsfragen konkretiserien zu können, bedarf es angesichts der Komplexität moderner Gesellschaften der systematischen Einbeziehung der Erkenntnisse der jeweils relevanten Sozialwissenschaften (Rechtwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft etc.). Deshalb muss die sozialethische Reflexion interdisziplinär orientiert sein. Dabei liegt der spezifische Ansatz christlicher Sozialethik darin, dass die eigenen Aussagen nicht nur philosophisch, sondern auch theologisch fundiert werden.

Jüdisch-christliche Wurzeln. Die ethischen und moralischen Überzeugungen, die für unsere Kultur maßgeblich sind, haben sich in ständiger Auseinandersetzung mit den jüdisch-christlichen Traditionen und im (teils unbewussten) Rückgriff auf ihr Erbe herausgebildet. Ohne die Erinnerung an diese Prozesse und an ihre biblischen und systematisch-theologischen Quellen bleibt die Selbstinterpretation einer säkularen Kultur unvollständig. Dabei kommt auch der Interpretation und Auseinandersetzung mit den Texten des sozialen Lehramtes der katholischen Kirche als Quelle sozialethischer Einsichten und normativer Orientierung eine wichtige Rolle zu.