Die politische Lage im Nahen Osten und die Religionsfreiheit
Gastvortrag von Erzbischof Jean Benjamin Sleiman aus Bagdad
01. Juni 2017 | Universität Wien
Erzbischof Sleiman bot in seinem Gastvortrag am 1.Juni 2017 einen interessanten und umfassenden Einblick in die Lage der religiösen Minderheiten im Nahen Osten.
Als eines der größten Probleme für die Wiederherstellung einer funktionierenden friedlichen Gesellschaft identifizierte Erzbischof Sleiman die strukturellen Probleme des Iraks selbst, die sich etwa darin zeigen, dass bereits in der Verfassung unterschiedliche Wirklichkeiten nebeneinander stehen, die nur schwer vereinbar sind. Ein weiteres Hindernis ist die von Sleiman als „Sippengesellschaft“ beschriebene Struktur der Gesellschaft, die verschiedene Gruppen zwar nebeneinander bestehen lässt, eine Integration dieser zu einer Gesellschaft und die Freiheit des Individuums aber verhindert. Darüber hinaus erschwert der religiöse Fundamentalismus, der den früher präsenten ethnischen Fundamentalismus ablöste, die Friedensbestrebungen. Erzbischof Sleiman betonte dessen Gefahr und den Umstand, dass sich diese Art des religiösen Fundamentalismus letztlich gegen alle richtet.
Der aus dem Publikum gestellten Frage, ob es Christen und Christinnen unter Saddam Hussein besser erging, erteilte er eine Absage: „Ich glaube nicht, dass die Dinge so einfach sind. Wenn es keine Freiheit gibt, wird alles anders und entartet.“
Das große Problem des Christentums im Irak ist, so Erzbischof Sleiman, vor allem auch die Auswanderung der jungen Generation, die befürchtet, dass die religiöse Gesetzgebung wieder in aller Schärfe eingeführt wird. „Was wir brauchen“, so betont der Erzbischof: „ist Freiheit, vor allem auch Gewissensfreiheit.“