Menschenrechte als Prozesskategorie.
Überlegungen zum Verhältnis von
Recht, Politik und Moral
Gastvortrag von Daniel Bogner
13. Juni 2018 | Universität Wien
Der Professor für allgemeine Moraltheologie und Theologische Ethik, Dr. Daniel Bogner (Université de Fribourg), sprach am 12. Juni 2018 über ein vielbesprochenes – man möchte sagen ein umkämpftes – Thema, um das doch in vielen Debatten Missverständnisse bestehen: Die Menschenrechte und ihr Status. Er nahm dabei nicht nur Bezug auf innerkirchliche Debatten vor und nach dem II. Vatikanischen Konzil (1962–1965), sondern wählte die Menschenrechtsdiskussion als Ausgangspunkt, um allgemeinere Überlegungen zum Verhältnis von Moral, Recht und Politik anzustellen.
Kernstück des Vortrags war die Frage nach dem Status des Politischen im Verhältnis zu den Menschenrechten. Verstehen wir sie als eine Voraus-setzung für die politische Arbeit und sprechen daher von einer praktischen „Umsetzung“, wie viele Praktiker der Menschenrechte es tun, so entstehe der Eindruck, so Bogner, sie seien etwas vor-gegebenes, von dem mehr oder weniger klar ist, was die Inhalte genau sind. Menschenrechte seien aber nicht als ein Prinzip für Politik zu verstehen, sondern Prinzip einer anderen Politik, so Bogner mit Ch. Menke und F. Raimondi. Und an dieser Stelle kommt auch ihr prozessualer Charakter in den Blick: Wird ihr Status als Vorgabe aufgegeben, bleibt ihr Vollzug in Form einer menschenrechtsgemäßen Praxis erhalten. Sie müssen sich nach diesem Modell durch das Handeln ausweisen, durch eine Praxis ausdrücken. Ob eine politische Praxis menschenrechtsgemäß ist, erfordert eine Diskussion darüber, ob sie als eine Interpretation derselben gelten kann. Die Arbeit des Politischen ist somit der Versuch eines Ausdrucks, einer Interpretation, einer Kontextualisierung und kontingenten Darstellung dessen, was normative Ideale bedeuten, in diesem Fall die Menschenrechte. Diese Praxis ist die Praxis der Revolution, da sie sich stets neu hervorzubringen suchen, diesen Ausdruck stets neu erkämpfen müssen.
Bogner skizzierte in seinem Vortrag die Bedeutung des Historischen und damit auch Kontingenten für eine kultursensible und zeitgemäße Konzeption der Menschenrechte. Er musste daher ihren abstrakten, ahistorischen Charakter ein Stück weit aufbrechen. Das ist jedoch auch der Preis, der mitunter Konsequenzen haben kann, die nicht intendiert sind. So bietet dieser Vorschlag freilich eine Schlagseite, indem er an den Universalitätsanspruch dieser Rechte rührt.
In einem Workshop wurden im Anschluss die zentralen Thesen weiter diskutiert.