FAQ
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Hat der Fachbereich für Sozialethik Forschungsschwerpunkte?
Natürlich - denn eine Spezialisierung auf bestimmte Themenbereiche ist notwendig. Unsere Schwerpunkte sind der Dialog zwischen Theologie/Kirche und Gesellschaft, Sozialethik in ökumenischer Perspektive, Christliche Sozialethik im Dialog mit dem Islam, Internationale Ethik und Entwicklung, Ethik der Wirtschaft und Nachhaltigkeit, Genderethik, Ethik des Sozialstaats.
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Verhältnis Ethik und Religion (Theologie)?
Ethik (philosophische) ist eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin und ruht auf Argumenten der Vernunft, die grundsätzlich allen Menschen zugänglich und einsichtig sind. (Philosophische) Ethik versteht sich dabei nicht als Gegensatz oder Widerspruch zu theologischer Ethik. Vielmehr verweist ihre (philosophische) Eigenständigkeit auf die Verantwortungsdimension des Menschen bzw. seine Würde und Freiheit. Ethik erfüllt damit eine notwendige und unverzichtbare Brücken- und Dienstfunktion, sowohl innerhalb der Theologie(n), auf interdisziplinärem Feld in Wissenschaft und Gesellschaft und im Dialog der Religionen.
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Was bedeutet „Wahl des geringeren Übels" und kann das wirklich immer der beste Ansatzpunkt für einen ethischen Konsens sein?
Es ist in der Ethik oft der Fall, dass wir nicht zwischen gut und böse wählen können, da nur zwei (oder mehr) schlechte Alternativen zur Auswahl stehen. In einem solchen Fall gilt es, diese Alternativen abzuwägen und sich in Folge für das „geringere Übel" zu entscheiden. Wird jedoch von einer deontologischen Ethik her argumentiert, die nicht bei den Handlungsfolgen ansetzt, sondern einzig bei der Handlung (z.B. Lügenverbot: muss unter allen Umständen eingehalten werden, selbst wenn durch eine Notlüge ein Menschenleben gerettet werden könnte), so kann die Wahl eines geringeren Übels kein Ansatzpunkt für einen ethischen Konsens sein.
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Was für Karriereperspektiven hat man mit einem Universitätsabschluss im Fach Sozialethik?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Sozialethiker können z.B. als WissenschafterInnen an theologischen und anderen Fakultäten, an Hochschulen, in kirchlichen Einrichtungen, in Schulen, sowie in NGOs tätig sein.
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Was ist „Individualethik", was ist „Sozialethik"?
Die Individualethik richtet sich an die Lebensführung des Einzelnen. Sie stellt die Frage nach menschlichem Handeln, insofern dieses der Differenz gut/böse unterliegt.
Die Sozialethik hingegen richtet sich an die Gesellschaft und ihre Institutionen (siehe auch Institutionenethik). Hier stellt sich vor allem die Frage nach gerechten und ungerechten Strukturen. Die Schwierigkeit der Sozialethik liegt in der heutigen Zeit unter anderem (und vor allem) darin, dass sie die meisten Gebiete des gesellschaftlichen Lebens umfasst, weshalb es manchmal äußerst schwierig wird, den Überblick zu bewahren. Beispiele für Gebiete, die die Sozialethik umfasst: das gesellschaftliche Leben als Ganzes, verschiedene Institutionen, den Bereich des Politischen, den Bereich der Wirtschaft, etc. -
Was ist Christliche Sozialethik?
Christliche Sozialethik ist eine theologische Disziplin, welche die gesellschaftliche Situation unter der Differenz von gerecht und ungerecht im Lichte der biblischen Tradition reflektiert. Sie versucht, unter Einbeziehung der säkularen Wissenschaft und philosophischer Argumentation, gesellschaftliche und politische Institutionen (Politik, Rechtswesen, Wirtschaft usw.) zu analysieren, sie theologisch zu beurteilen, und einen Kompass für moralische Handlungsoptionen aus einer christlichen Perspektive zu bieten.
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Was ist der Unterschied zwischen Moral (Sitte) und Ethik?
Moral (lat. mores: Sitten, Charackter) regelt normativ (stabilisierend und entlastend) menschliches Verhalten (untereinander, zu sich selbst, zur Natur). Dabei besteht Moral (Sitte) aus geschichtlich gewachsenen Ordnungsgebilden (Lebensformen) einer Handlungsgemeinschaft (Kulturkreis) in Form von Handlungsregeln, Geltungs- und Wertmaßstäben und Sinnvorstellungen. Moral (Sitte) versteht sich dabei nicht einfach als Brauch oder Konvention, sondern will sich als richtig und gültig ausweisen.
Ethik reflektiert methodisch und begründet Moral (Sitte), also moralische Handlungen und Urteile. Dies erfolgt in der (philosophischen) Ethik ohne Berufung auf politische oder religiöse Autoritäten oder auf Gewohntes und Bewährtes. Ethische Aussagen müssen vielmehr vernünftig, argumentativ-einsichtig und allgemein objektiv (intersubjektiv) verbindlich ausgewiesen werden. Ethik leistet also eine reflektierte und systematische Vermittlung von Einsicht in den Sinn moralischen Handelns und Urteilens und ermöglicht dieses. Ethik kann aber moralisches Handeln und Urteilen selber nicht ersetzen.
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Was ist Institutionenethik?
Die Frage nach einer Institutionenethik wird insofern laut, als sich menschliches Zusammenleben zu einem großen Teil in Institutionen vollzieht, oder zumindest institutionelle Züge trägt. Je nachdem, wie man den Institutionenbegriff fasst (weit oder eng), versteht man unter „Institutionenethik" die Ethik verschiedener Institutionen (z.B. der Kirche, des Staates, etc.) oder verwendet den Begriff synonym für „Sozialethik".
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Was ist Wirtschaftsethik?
Der Wirtschaftethik geht es um die kritische Reflexion wirtschaftlichen Handelns und wirtschaftlicher Strukturen, Abläufe und Rahmenbedingungen unter der Differenz von richtig und falsch bzw. gerecht und ungerecht. Wirtschaft ist kein in sich eigenständiger und moralfreier Teilbereich, sondern Teil kultureller, ökologischer und sozialer Prozesse und von daher auf das Engste mit gesellschaftlichen und moralischen Grundfragen verwoben.
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Was mach ein/e Ethiker/in den ganzen Tag und wozu braucht man überhaupt Ethiker/innen?
Ethiker/innen beschäftigen sich sowohl mit Grundlagenfragen als auch mit konkreten Anwendungsfeldern der Ethik, also mit der Frage nach dem guten Leben einerseits und individuellen und strukturellen Gerechtigkeitsfragen andererseits. In verschiedenen Bereichsethiken - wie Bioethik, Friedensethik, Konsumethik, politischer Ethik, Rechtsethik oder Wirtschaftsethik - wird die jeweils vorherrschende Praxis dahingehend reflektiert, ob sie richtig oder falsch, gerecht oder ungerecht ist. Das erfordert neben einer theoretischen Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen und kulturellen Gerechtigkeitsvorstellungen auch eine genaue Kenntnis der jeweiligen bereichsspezifischen Praxis. Ethiker/innen machen damit auf ungerechte Situationen aufmerksam und tragen dazu bei, mehr Gerechtigkeit zu realisieren.
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Was sind Bereichsethiken? Werden Lehrveranstaltungen in all diesen Gebieten angeboten?
„Bereichsethik" ist ein Begriff, der von dem deutschen Philosophen Julian Nida-Rümelin geprägt wurde. Es geht um die verschiedenen Gebiete menschlicher Tätigkeit, für die eine eigenständige Ethik entwickelt wurde: pädagogische Ethik, Wissenschaftsethik, Bildungsethik, Technikethik, politische Ethik, Medienethik, Rechtsethik, Bioethik, Medizinethik usw. Manche dieser Bereiche sind Gegenstand der Moraltheologie und -philosophie (z.B. Bioethik) und nicht der Sozialethik, die mit gesellschaftlichen Strukturen zu tun hat. Da die Bandbreite äußerst groß ist, können wir Lehrveranstaltungen in allen diesen Feldern leider nicht anbieten. Im Sommersemester 2009 bieten wir Lehrveranstaltungen über Menschenrechte und politische Ethik; in den letzten Jahren haben wir Seminare zur Ethik der Entwicklung, des Finanzmarkts, der Globalisierung und Pflegeethik angeboten.
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Welche Rolle spielt Ethik heute?
Vielfach spricht man heute von einem Ethik-Boom. Dies deutet auf einen steigenden Bedarf an ethischem Orientierungswissen für menschliche Handlungen und Institutionen. Verstärkt zeigt sich das in Zeiten von Umbrüchen und pluralen Kontexten, in denen für ein gedeihliches Zusammenleben ethische Diskurse unverzichtbar sind.
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Wie kann ich "ethisch" handeln?
Um „ethisch" handeln zu können, ist es hilfreich, sich am Dreischritt „sehen - urteilen - handeln" zu orientieren. Zuerst bedarf es der umfassenden Analyse und Erfassung einer Situation bzw. der Wirklichkeit (sehen: wie ist eine Situation beschaffen?). Daraufhin ist eine Reflexion dahingehend erforderlich, ob das faktisch Erkannte so auch richtig und gerecht ist (urteilen: wie soll eine Situation beschaffen sein?), um in einem dritten Schritt so zu handeln, dass ein als richtig und gerecht definierter Zustand erreicht werden kann (handeln: wie kommt man von einer Ist-Situation auf das Gesollte?).
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Worum handelt es sich beim berühmten „naturalistischen Fehlschluss"?
Vertreter des naturalistischen Fehlschlusses (engl. naturalistic fallacy) bestreiten, dass aus dem Sein ein Sollen als Anspruch für die moralische Praxis abgeleitet werden kann. Der Begriff selbst wurde vom englischen Philosophen George Edward Moore zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Wie so oft wird auch gegen diese These von verschiedensten Seiten Einspruch erhoben. So etwa von Vertretern der Naturrechtslehre, die dem entgegenhalten, dass es keine Alternative zum Sein gäbe. Wenn es aber eine derartige Alternative nicht gibt, woher kann dann überhaupt ein Sollen abgeleitet werden?