Geschichte des Fachbereichs Sozialethik
1935 wurde an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien der Lehrstuhl für „Ethik und christliche Sozialwissenschaften“ eingerichtet. Johannes Messner, der diesen Lehrstuhl bis 1962 besetzte, knüpfte inhaltlich an das Naturrechtstheorem an, das er als eine Theorie des Sozialen auslegte. Im Kern ging er von einer Trennung zwischen Natürlichem, d.h. allein durch die Vernunft Einsichtigem, und Übernatürlichem, d.i. durch Glaube und Offenbarung Einsichtigem, aus. Diese Unterscheidung ist hinsichtlich der Bedeutung des Lehrstuhls im Fächerkanon theologischer Fakultäten insgesamt bedeutsam gewesen, da die christlichen Sozialwissenschaften damit in ihrer Argumentation auch auf andere Disziplinen angewiesen waren. Messners Naturrechtsethik umfasst drei Teile: eine Rechtsphilosophie und Rechtsethik, eine naturrechtliche Prinzipienlehre und eine Individualethik.
Rudolf Weiler übernahm 1966 den Lehrstuhl. Im Zuge dessen wurde von der Katholisch-Theologischen Fakultät ein Antrag bei der Universität Wien eingebracht, den Lehrstuhl in ein Institut umzuwidmen, was in der Folge auch geschah. Professor Weiler wurde Vorstand des neu gegründeten Instituts. Unterstützt wurde er von seinen Assistenten Werner Freistetter und Ingeborg Gabriel. Inhaltlich knüpfte Weiler an die Arbeiten seines Vorgängers an und konkretisierte seine Fragen für verschiedene Lebensbereiche. Insbesondere der internationalen Ethik und Friedensethik wendete Weiler seine Forschungsinitiativen zu. In diesem Zusammenhang widmete er sich vor allem auch dem Dialog mit kommunistischen Institutionen und Kollegen im Fach Ethik. Im Zuge der geopolitischen Umwälzungen in den Jahren 1989 und ’90, die der Niedergang des Kommunismus und der Fall des „Eisernen Vorhangs“ wurde diese Tätigkeit der „Vereinigung für katholische Sozialethik in Mitteleuropa“ weiter vertieft. Er nutzte damit die Öffnung zu den osteuropäischen Nachbarländern und begründete damit Beziehungen, die bis heute gepflegt werden.[siehe Vereinigung für Sozialethik] Dazu kann auch das seit 2012 bestehende Central European Exchange Programme for University Studies (CEEPUS) gezählt werden, das sich dem Themenfelsd „Ethics and Politics in the European Context“ widmet. An diesem Austauschprogramm sind 15 Partneruniversitäten aus Mitteleuropa aktiv beteiligt. Eine treibende Kraft, die sich für den internationalen Austausch von JungwissenschaftlerInnen engagierte, war Marijana Kompes (Assistentin am Institut von 2011-2015), die heute an der Katholischen Universität in Zagreb als Juniorprofessorin unterrichtet.
Ausführlicher dazu:
Gabriel, Ingeborg: Paradigmenwechsel in der Sozialethik, in: Johann Reikerstorfer/Martin Jäggle (Hg.): Vorwärtserinnerungen. 625 Jahre Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien, Göttingen 2009, S. 145-172.
Dies.: Naturrecht, Menschenrechte und die theologische Fundierung der Sozialethik, in: Werner Vogt (Hg.): Theologie der Sozialethik, Freiburg 2013, 259-251.
Dies.: Spannende Zeiten, in: Konrad Hilpert (Hg.): Theologische Ethiker im Spiegel Ihrer Biografie. Stationen und Kontexte, Paderborn 2016, 165-186.